18.1 Automatisierung

Im vorigen Kapitel wurde ausgeführt, wie IT-Unterstützung von Geschäftsprozessen heutzutage realisiert wird. Die Entwicklung der IT hat allerdings einen Stand erreicht, der es möglich macht, Geschäftsprozesse nicht nur durch IT-Systeme zu unterstützen, sondern sie so weit wie heute möglich automatisch zu realisieren. Diese Automatisierung von Geschäftsprozessen ist in einigen Bereichen schon sehr weit fortgeschritten und wird immer weiter getrieben.

Konkret bedeutet Automatisierung hier, dass die Aktivitäten eines Geschäftsprozesses umfassend (einschließlich benötigter Informationen) in Elemente eines IT-Systems abgebildet werden. Dies kann auf unterschiedliche Weise erfolgen:

Um was geht's?

  • Durch klassische konventionelle Programmierung
  • Durch Programmierung im Internet-Kontext
  • Durch Entwicklung und Weiterentwicklung von Workflow-Management-Systemen
  • Durch verbesserte Integration IT-gestützter Prozesse mittels Robotic Process Automation

Mehr dazu unten.

Grundlagen, wie kam es dazu?

Nur damit wir es nicht vergessen. Die wichtigste Grundlage für die Automatisierung ist die Entwicklung der IT, hardware- und softwaretechnisch. Ohne diese wären die entsprechenden Softwarelösungen nicht möglich.

Technologische Grundlagen

Seit einigen Jahren gehört dazu auch die Entwicklung der Internettechnologie. Auf dieser werden in großem Umfang und mit riesigen Datenmengen Geschäftsprozesse automatisiert abgewickelt.

Dieser Entwicklung liegen die in Abschnitt 2.7 beschriebenen Trends zugrunde. Schon seit dem Aufkommen prozessorientierter integrierter Software (heute meist ERP-Software genannt; vgl. Abschnitt 17.3 sowie [Staud 2006] für eine Einführung) der Trend zu einer immer detaillierteren Abbildung der Geschäftsprozesse in die Software. Dies war Kundenwunsch und er wurde erfüllt. Schon dieser Trend erzwang eine immer detailliertere Prozessmodellierung. Seit Aufkommen der Internet-Unternehmen kam ein zweiter massiver Trend dazu, der zu vollständig durch Programme abgewickelten Geschäftsprozessen führt – zur Automatisierung also.

Immer detaillierter

Voraussetzung für den Einsatz ist wie immer, wenn es um Automatisierung geht, dass es sich um einen standardisierten und wohlstrukturierten Prozess mit hoher Wiederholzahl handelt. Dazu unten mehr.

Voraussetzung

18.2 Ausgangspunkte

Die aktuellen Bemühungen zur weiteren Automatisierung von Geschäftsprozessen haben folgende Ausgangspunkte:

  • Menschgestützte Geschäftsprozesse mit gar keiner oder höchstens funktioneller IT-Unterstützung. Heute eher selten.
  • Menschgestützte Geschäftsprozesse mit IT-Unterstützung. Diese ist heute meist prozessorientiert, z.B. auf Basis einer ERP-Software.
  • Bereits teilweise automatisierte Geschäftsprozesse mit minimalem menschlichem Einwirken (sprach- und textgestützte Kundenkontakte, Entscheidungen, unstrukturierte Probleme, …). Bei diesen geht es darum, die Automatisierung weiter zu treiben. Konkret um Prozessabschnitte, die aufgrund von Fortschritten in der IT (insbesondere der Softwareentwicklung) jetzt auch automatisiert werden können (z.B. durch neue KI-Techniken zu Sprach-/Textverstehen, Sprach-/ Textproduktion, usw.).

Außerdem ist zu unterscheiden, auf welchem Träger die digitalisierten Geschäftsprozesse realisiert werden. Wenn auch z.B. die genutzten Programmiertechniken letztendlich auf dieselben Algorithmen bzw. Strukturen zurückgehen, macht dies doch einen Unterschied (dazu unten mehr). Folgende können derzeit unterschieden werden:

Träger

  • "Das Internet" mit den Internet-Unternehmen, wo inzwischen ein nicht unerheblicher Teil der Geschäftstätigkeit realisiert wird. Hier werden Web-Programmiertechniken verwendet. Außerdem gilt für Internet-Unternehmen, dass die Automatisierung sehr weit fortgeschritten, gegenüber den Kunden sogar umfassend realisiert ist, so dass die weiteren Bemühungen von einem hohen Stand ausgehen.
  • Die IT-Systeme von Organisationen und Unternehmen, im eigenen Unternehmen oder ausgelagert.

18.3 Prozessanalyse

Grundsätzliche Anforderungen

Unabhängig davon, auf welchem Weg und auf welchen Plattformen die Automatisierung angestrebt wird, ist zu Beginn eine umfassende Prozessanalyse und Prozessmodellierung nötig. Zu dieser gehören:

Umfassende Prozessanalyse

  • Eine umfassende Istanalyse und Istmodellierung. Da automatisierte Geschäftsprozesse in Software abgebildet werden, sollte die Prozessmodellierung detailliert sein. Es gibt auch die Vorstellung, Prozessmodelle automatisch zu erzeugen, vgl. Abschnitt 19.2 (Process Mining).
  • Klärung der Thematik "Prozess vs. Funktion"
  • Falls gewünscht, ein optimierter Vorschlag, eine Sollmodellierung. Dann ist dieser der Ausgangspunkt der Automatisierungsbemühungen.
  • Falls gewünscht, eine programmnahe Prozessmodellierung, als Beitrag zum Requirements Engineering der (Prozess-)Softwareentwicklung.
  • Klärung des Prozesstyps bezüglich der Problemstruktur.
  • Klärung der Häufigkeit. Nur bei häufig realisierten Prozessen lohnt sich der Aufwand.
  • Klärung der Rentabilität: Lohnt sich der Aufwand für die Automatisierung?
  • Falls der Prozess bereits IT-gestützt ist: Bestimmung der Softwareprodukte, mit deren Hilfe er realisiert ist.
  • Klärung der Automatisierbarkeit beim aktuellen Stand der Technik

Als Ergebnis sollte eine Klärung aller Prozessabschnitte, die automatisiert werden können (und sollen), erfolgen:

Ergebnis

  • Gar keine – unstrukturierte Abschnitte und Geschäftsprozesse. Keine Automatisierung ist möglich. Z.B. bei kreativen Prozessen ("Fortschreibung der Geschäftsstrategie").
  • Einige – wohlstrukturierte Abschnitte in semistrukturierten Geschäftsprozessen.
  • Alle – der gesamte Prozess ist wohlstrukturiert und automatisierbar.

Vgl. zum Thema Art der Problemlösung (unstrukturiert, semistrukturiert, wohlstrukturiert) Abschnitt 2.4.

Bei IT-gestützten Geschäftsprozessen

Bei nicht automatisierten IT-gestützten Geschäftsprozessen liegen typischerweise mehrere Softwareprodukte vor, die den Prozess unterstützen und deren Zusammenspiel nicht automatisiert ist.

Es geht hier also immer um das verbesserte Zusammenspiel von Softwarekomponenten, über verbesserte Schnittstellen oder roboterähnliche Software. Schnittstellen heute – sozusagen.

Bei diesen Voraussetzungen ist folgendes zu leisten:

  • Klärung, welche Aufgaben bereits softwaregestützt realisiert werden. Dies kann auf Basis einer detaillierten Standardprozessmodellierung erfolgen. Im Prozessmodell wird also angegeben, durch welche Software die jeweilige Aufgabe unterstützt wird.
  • Klärung der Prozessabschnitte, die automatisiert werden sollen. Dies kann Prozessabschnitte im bereits IT-gestützten Geschäftsprozess betreffen oder in den nicht-unterstützten.
  • Beachtung der Thematik "Prozess vs. Funktion", weil dies oftmals zur (automatisierten) Hinzunahme externer Software führen kann.
  • Eine auszugsweise programmnahe Prozessmodellierung

Jeder Geschäftsprozess ist eingebettet in die Prozesslandschaft der Organisation. Unter Umständen hat er auch Kontakte zur Außenwelt. Beides muss beachtet werden. Im Idealfall wird natürlich die Gesamtheit aller Prozesse, bis auf die nicht automatisierbaren Abschnitte, automatisiert. Etwa so, wie es die Internet-Unternehmen mit ihren webbasierten Lösungen realisieren.

Gesamte Prozesslandschaft

Ansonsten muss der zu automatisierende Prozess in der Prozesslandschaft abgegrenzt werden. Insbesondere müssen seine Schnittstellen zu den anderen Prozessen geklärt werden.

Einzelprozess

Die technologische Entwicklung brachte es mit sich, dass inzwischen auch die Kontakte zur Außenwelt in die Nähe der Automatisierbarkeit gekommen sind. Dies lohnt sich natürlich besonders bei sehr zahlreich auftretenden Kundenkontakten. Diese Kontakte müssen deshalb identifiziert und diesbezüglich geprüft werden.

Außenwelt

Auch Entscheidungen können in sehr viel größerem Umfang als vor einigen Jahren automatisiert werden. Dafür ist die Identifikation entsprechender Abschnitte und der Abgleich mit den technischen (KI-)Möglichkeiten notwendig. Vgl. insbesondere Kapitel 19 und 21.

Entscheidungen

Bereits bei einer IT-Unterstützung und noch mehr im Rahmen der Automatisierung muss die Datenverwaltung umfassend bedacht werden und dies in mehrerlei Hinsicht:

Datenbanken

  • Wird die Integrität des Datenbestandes gewahrt? Z.B., wenn Softwareroboter auf die Unternehmensdatenbanken zugreifen und evtl. auch eigene verknüpfte Dateien anlegen.
  • Sind evtl. neu entstehende Dateninseln (z.B. durch den Einsatz von Softwarerobotern) wirklich notwendig? Der Verfasser erinnert sich noch gut an die Bemühungen, in den 1970-er Jahren die ("teuren") Dateninseln durch Einsatz von ERP-Software zu überwinden. Jetzt entstehen sie, mit den zugehörigen Schnittstellen, in großer Zahl neu.
  • Ist daran gedacht, für das eventuelle spätere Process Mining genügend "digitale Spuren" zu legen, z.B. in den Log-Dateien der Prozesssoftware?
  • Müssen aufgrund der Geschäftstätigkeit (Kundenzugriffe über das Web) und Größe des Datenbestandes die Datenbanken "im Internet" gehalten werden? Vgl. dazu Kapitel 20 ("NoSQL").
  • Soll im Rahmen der Automatisierungsbemühungen die Reaktionszeit der Datenbanken durch Einsatz neuerer Datenbanktechnologien verbessert werden ("In-Memory-Datenbanken")? Die Bereitschaft von Kunden, längere Zeit auf Antworten zu warten, ist anscheinend sehr gering.

Bei Internet-Unternehmen.

Damit sind Unternehmen gemeint, deren Geschäftstätigkeit "im Internet" stattfindet. Die Automatisierung erfolgt hier mittels Web-Programmierung. Zumindest bei den großen einschlägigen Unternehmen entsteht hierbei Individualsoftware, die durch umfangreiche Entwicklerteams realisiert und ständig weiterentwickelt wird.

Geschäftstätigkeit im Internet

Die Automatisierung betrifft v.a. die Interaktion mit den Kunden. Diese ist umfassend automatisiert, lediglich für ganz spezielle Situationen ("Inkasso etc.") wird der Prozess menschgestützt realisiert.

Diese Automatisierungslösungen sind u.U. auch für ganz unterschiedliche Gruppen realisiert. Nicht nur für den "normalen Kunden". Z.B. bei Amazon: Die Verkäufer auf Amazon finden ebenfalls eine vollautomatisierte Umgebung vor. Ebenso die Autoren, die dort ihre Bücher veröffentlichen.

Zu leisten sind hier dieselben Schritte wie oben, mit dem Fokus auf Webprogrammierung.

Aus Kundenverhalten Marketingmaßnahmen programmieren

Automatisierte Geschäftsprozesse, die mit den Kunden zu tun haben, erlauben, das Kundenverhalten zu beobachten, festzuhalten und zu nutzen. Z.B. zur Profilerstellung und zur Erarbeitung maßgeschneiderter Angebote. Auch dies muss programmiert werden als Basis der Geschäftsprozesse, die den Kunden zu mehr Käufen bewegen sollen.

18.4 Wege

Auf welchen Wegen kann die Automatisierung von Geschäftsprozessen erreicht werden?

Konventionelle Programmierung

Eine naheliegende Lösung wäre die folgende: Eine einzige prozessorientierte integrierte Software, sozusagen "ERP/automatisiert", in Nachfolge der früheren und derzeitigen ERP-Lösungen (vgl. zu ERP-Software Abschnitt 17.3 sowie [Staud 2006, Kapitel 3]). Dies geschah ein Stück weit bereits in den letzten Jahrzehnten, indem die jeweils aktuelle Variante einer ERP-Software eine jeweils intensivere Abdeckung der Geschäftsprozesse realisierte und einzelne Funktionen automatisierte, was aber nicht zur Vollautomatisierung führte.

Lösung

Plattform solcher IT-Systeme ist die organisationseigene Hardware oder eine von der Organisation gewählte Cloud-Lösung.

Plattform

Programmierung im Web-Kontext

Die großen Internet-Unternehmen haben die Automatisierung bereits umgesetzt. Sie entwickelten umfassende Softwarepakete, die den Nutzern ihre Geschäftsprozesse vollautomatisch anbieten und die ständig weiterentwickelt werden.

Dieser Ausprägung der Automatisierung begegenen wir täglich bei unseren Internetaktvitäten. Hier werden die Prozessschritte (die der Nutzer und die durch das Handeln der Nutzer angestoßenen) in Konstrukte einer "Web-Programmiersprache" umgesetzt und in einer entsprechenden Entwicklungsumgebung umgesetzt.

Durch die dort vorliegenden Geschäftsmodelle (zahlreiche Kunden, Abwicklung über das Internet, riesige Datenbestände) entstanden und entstehen dabei so große Datenbestände, dass neue Datenbanktechnologien entwickelt werden mussten. Diese werden geprägt durch das Medium der Geschäftstätigkeit (das Internet) und dessen Anforderungen. Man kann sie vereinfacht unter dem Stichwort NoSQL zusammenfassen. Wegen ihrer großen Bedeutung wird ihnen Kapitel 20 gewidmet.

Riesige Datenbestände

Die Automatisierung betrifft nicht nur die Kundenkontakte, sondern auch die übrigen Bereiche der Unternehmen, z.B. im Finanzwesen. Zumindest in der Planung einiger Unternehmen betrifft es auch die Logistik ("Drohnen"). Wir nähern uns damit der vollautomatisierten Abwicklung von Geschäftsprozessen, wo menschliches Eingreifen nur noch da erfolgt, wo Entscheidungen anstehen, die nicht automatisiert sind oder die nicht automatisiert werden können. Hierzu gehören z.B. die Kauf- und sonstigen Entscheidungen der Kunden.

Nicht nur bei den Kundenkontakten

Diese Entwicklung setzt sich fort. Immer mehr der gesamtwirtschaftlichen Geschäftstätigkeit verlagert sich ins Internet und wird - zumindest gegenüber den Kunden - vollständig automatisiert erledigt. Nutzer und Beschleuniger dieses Trends sind die Internet-Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf dem automatisierten Umgang mit Tausenden oder Millionen Kunden aufbaut.

Automatisierung bei Workflow Management-Systemen

In Abschnitt 17.4 wurden Workflow-Management-Systeme (WfMS) bereits als IT-unterstützende Systeme vorgestellt. Auch hier gibt es ständige Bemühungen, die Automatisierung weiter zu treiben.

<<mehr dazu im Seminar/in der Vorlesung>>

Robotic Process Automation

Die letzte im derzeitigen Geschehen erkennbare Variante ist die rund um die Robotic Process Automation (RPA). Sie wird in Abschnitt 19.2 beschrieben. Hier liegt der Fokus nicht so sehr auf Neuentwicklung von prozessorientierter Software, sondern darauf, einzelne Funktionen zu automatisieren und/oder das Zusammenspiel von Softwarekomponenten zu verbessern. Z.B. so, dass rund um eine ERP-Softare zahlreiche andere Softwarekomponeten angeordnet sind, die für die Abwicklung der Geschäftsprozesse zusätzlich benötigt werden. Hier verlangt Automatisierung, dass das Zusammenspiel der Komponeten automatisiert wird, was dann durch Softwareroboter geschieht. Vgl., auch für Beispiele, Abschnitt 19.2.

18.5 Ziele

Hauptziel bei der Automatisierung von Geschäftsprozessen ist die Steigerung der Effizienz. Dies kann auf folgende Weise erreicht werden:

  • Beschleunigung der Durchlaufzeiten. Diese ist zum Teil dramatisch, vgl. die Beispiele in Abschnitt 19.2.
  • Kostensenkung. Auch diese kann sehr hoch sein.
  • Präziseres Prozessmanagement, da ein automatisierter Geschäftsprozess leichter überwacht werden kann ("Process Mining", vgl. Abschnitt 19.3)
  • Qualitätsverbesserungen durch die automatisierte Steuerung und Überwachung. Dadurch ist u.U. eine Reduzierung der Fehlerquoten möglich.
  • Mehr Übersicht. Bei automatisierten Prozessen können klare Aussagen über bereits durchgeführte und noch ausstehende Abläufe getätigt werden.

Dies alles natürlich nur, wenn die Automatisierung kompetent umgesetzt wurde.

Diese Ziele können nur mit Unterstützung der Mitarbeiter erreicht werden. Sie sollten bei der Formulierung der Anforderungen an die Software mitarbeiten, da sie die Prozesse am besten kennen. Sie müssen die erstellte Software testen. Auf die Zeit nach dem Einsetzen der Software müssen sie vorbereitet werden, da sich durch die automatisierte Software ihre Aufgabenschwerpunkte verschieben. So bedarf es zur Überwachung automatisierter Prozesse erhöhter softwaretechnischer Kompetenzen, die eventuell durch Schulungsmaßnahmen aufgebaut werden müssen.

Mitarbeiter

18.6 Voraussetzungen

Voraussetzung für eine Automatisierung von Geschäftsprozessen ist ein standardisierter wohlstrukturierter Prozess. Es sollte sich also um Routineprozesse und auf keinen Fall um kreative bzw. unstrukturierte Prozesse handeln.

Standardisiertheit

Für diesen müssen, nach dem jeweiligen Stand der Technik, die automatisierbaren Prozessabschnitte bestimmt werden. Dabei sollten für die Kunden (z.B. beim Kaufvorgang in WebPortalen) bzw. Mitarbeiter nur noch Prozessschritte verbleiben, die nicht automatisiert sind oder nicht automatisiert werden können (z.B. Ausnahmen und Entscheidungen. Aufgrund der Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz werden dies immer weniger.

Grundsätzliche Bedingung für die Automatisierung ist ja wohlstrukturiertheit (des Geschäftsprozesses, des Geschäftsprozessabschnitts), da nur in solchen für jeden Prozessschritt Lösungswege vorliegen. Bedingt durch neue Softwaretechnologien, insbesondere die von der Künstlichen Intelligenz (KI) – Forschung herrührenden, werden aber immer mehr Prozessabschnitte, die bisher unstrukturiert oder semistrukturiert waren, zu wohlstrukturierten und können daher auch automatisiert werden. Letztendlich bleiben dann nur die Entscheidungen übrig, die aus inhaltlichen Gründen durch Menschen zu realisieren sind, z.B. Führungsaufgaben.

Wohlstrukturiertheit

In Abschnitt 2.4 wurde definiert, dass ein Problem als wohlstrukturiert empfunden wird, wenn ein Entscheidungsträger zu jeder der Phasen ein geeignetes Vorgehen kennt. Jetzt können wir ergänzen, dass ein Entscheidungsträger oder ein KI-Programm ein geeignetes Vorgehen kennen muss. Dabei ist meist anzunehmen, dass der Prozessverantwortliche oder Prozessnutzer die genauen Abläufe im KI-Programm nicht kennt. Dies bleibt – wenn überhaupt - den KI-Programmierern vorbehalten.

KI-Programme haben es in sich, dass die Ergebnisse des Programms nicht in vollem Umfang "vorgedacht" werden können. Dies gilt für Programme, die auf der Prädikatenlogik mit ihren Wissensbasen und Inferenzmaschinen basieren (z.B. sog. Expertensysteme) genauso, wie für die derzeit im Fokus stehenden KI-Lösungen, die auf Musterabgleich beruhen.

18.7 Umsetzung

Obige Ausführungen zur Prozessanalyse und Prozessmodellierung in Automatisierungsprojekten können hier ergänzt werden um Anforderungen, die sich ergeben, wenn die entsprechenden Programme erstellt werden müssen.

Die zu automatisierenden Geschäftsprozesse müssen dafür nicht nur gründlich erfasst und modelliert werden, es muss zusätzlich die Klärung bereits automatisierter Prozessabschnitte erfolgen. Dabei ist auch festzulegen, ob die vorliegenden Programme weiter genutzt werden sollen. Im nächsten Schritt ist dann zu klären, welche bisher nicht-automatisierten Prozessabschnitte automatisiert werden sollen. Mit diesen Entscheidungen sind wir im strategischen Bereich.

Klärungen

Dann ist eine Optimierung nötig, die zur Automatisierung hinführt bzw. die durch diese möglich wird. Muss oder kann der Prozess für die Automatisierung umgestaltet werden. Dabei müssen auch die eventuellen Änderungen des Prozesses durch die Automatisierung berücksichtigt werden. Evtl. sind Prozessschritte nicht mehr nötig bzw. es kommen weitere hinzu (z.B. zur Dokumentation des Geschäftsprozesses). Ganz allgemein ist nicht mehr nur der eigentliche Prozess Bezugspunkt, sondern auch die Automatisierung (operativer Punkt).

Optimierung

Danach sollten Prozessmodelle entstehen, die unmittelbar der Softwareentwicklung dienen können. Sie werden hier programmnahe Prozessmodelle genannt. Die dafür notwendige programmnahe Prozessmodellierung wird zu einem Bestandteil des Anforderungsmanagements (Requirements Engineering).

Prozessmodelle für die Softwareentwicklung

Außerdem muss die Festlegung des Realisierungswegs erfolgen. Auf welcher Plattform, mit welchen IT-Lösungen, soll die Automatisierung durchgeführt werden?

Realisierungsweg

<<mehr dazu im Seminar/in der Vorlesung>>

Abstimmung zwischen IT und Prozessverantwortlichen

Obiges sollte es deutlich gemacht haben. Klassische Prozessverantwortliche (mit fachlichem und/oder betriebswirtschaftlichem Hintergrund) oder klassische Informatiker können diese Aufgaben nicht lösen. Zusammenarbeit ist nötig und an zentraler Stelle auch Kompetenz, die fachliche und IT-Aspekte verbindet. Dies leisten z.B. Wirtschaftsinformatiker/innen.

Die Automatisierung von Geschäftsprozessen verlangt einen engen Kontakt zwischen Geschäftsprozessmanagement (insbesondere Prozessmodellierern) und IT-Management (insbesondere Softwareentwicklung).

Das Management automatisierter Geschäftsprozesse verlangt gleichermaßen fachliche, betriebswirtschaftliche und IT-Kompetenz.

Erfassung der Automatisierung in der Prozessmodellierung

Die Erfassung der durch Software realisierten Geschäftsprozessabschnitte geschieht über die Angabe der Träger der durchgeführten Tätigkeiten. Dort wo üblicherweise eine Organisationseinheit steht, wird dann die Anwendungssoftware vermerkt - ohne (direktes) menschliches Mitwirken. Indem also bei einer Tätigkeit nicht nur angegeben wird, wer sie realisiert, sondern auch mit Hilfe welcher Anwendungssoftware. Sie kann auch durch die modellierten Informationsobjekte erkannt werden. Bei IT-Abdeckung sind diese Teil des Datenbestandes einer Anwendungssoftware und (hoffentlich) als solche gekennzeichnet.

Träger

Betrachtet man z.B. die Geschäftsprozesse eines typischen Internet-Unternehmens im B2C, ist in wichtigen Abschnitten neben dem Kunden nur noch Software aktiv (Ware anbieten, Vorschläge machen, Auftrag festhalten, (virtuellen) Warenkorb befüllen, usw.). Dieser Bereich reicht weit in die automatisierbaren Abschnitte des Finanzwesens und die Logistik hinein und wird ständig ausgedehnt.

B2C: Business to Customer

Notwendig ist dabei die oben schon geforderte detaillierte Modellierung, also im Rahmen einer Beschaffung nicht Teile beschaffen, sondern zulässige Lieferanten bestimmen, Lieferanten anfragen, Konditionen klären, Bestellung formulieren, Bestellung versenden, usw. Etwa so wie in einer Standardprozessmodellierung. Danach können dann diese elementaren Funktionen in einer noch detaillierteren Ebene in einer systemmnahen Prozessmodellierung in Programmkonstrukte abgebildet werden.

Detaillierung

Automatisierungsgrad

Mehrfach war in den Kapiteln oben schon vom Automatisierungsgrad von Geschäftsprozessen die Rede (vgl. das Stichwortverzeichnis). Hier nun eine Zusammenfassung und Präzisierung. Mit dem Automatisierungsgrad ist – allgemein gesprochen – der Anteil an der Aufgabenerfüllung gemeint, der ohne menschliches Zutun durch die IT-Systeme ersetzt wird.

<<mehr dazu im Seminar/in der Vorlesung>>

18.8 Zementierung

Die in Abschnitt 17.9 angesprochene "Zementierung "der Geschäftsprozesse durch IT-Unterstützung ist hier, bei einer Automatisierung, noch umfassender gegeben. Menschliches Eingreifen, das u.U. ein Stück weit Flexibilität schaffen könnte, liegt ja kaum mehr vor.

Trotzdem ist eine Umkehr dieser Entwicklung nicht vorstellbar, höchstens ein erhöhter Einsatz von Entwicklern. Das ist der Grund für die Wiederkehr von Individualsoftware mit riesigen Entwicklergruppen bei den großen Internet-Unternehmen, wie wir sie zuletzt in den 1960- und 1970-Jahren bei großen Unternehmen für die Entwicklung der damaligen individuellen Anwendungssoftware (mit COBOL) sahen (die dann durch ERP-Software abgelöst wurde).

<<Diskussion: Einschätzung, Wirkung, Bewältigung>>