16.1 Einführung

Nach der Lektüre der ersten Kapitel liegt der Gedanke eigentlich nahe: Wenn Prozesse in der Theorie so geklärt und strukturiert sind und nachdem schon sehr viele praktische Geschäftsprozesse erhoben wurden, sollte es für alle Bereiche, in denen dies möglich ist, vorgedachte Geschäftsprozesse geben, die man einfach kaufen kann. Als Modelle oder als eine in prozessorientierter Software realisierte Lösung (vgl. die Abbildung unten). Dies ist inzwischen auf die eine oder andere Weise tatsächlich Realität:

  • Durch Ineinsichtnahme eines Referenzmodells mit Schwerpunkt auf Prozessarchitektur. Zum Beispiel bei einem Neuentwurf der Prozesslandschaft oder bei einem radikalen Redesign. Dann ist die Grobarchitektur schon mal klar, die zentralen Geschäftsprozesse sind angeführt (meist am Beispiel Industrie) und man kann (z.B. bei einem Top Down-Vorgehen fundiert an die Arbeit gehen.
  • Durch Ineinsichtnahme eines Prozessmodells, in dem konkrete vorgedachte Prozesse enthalten sind. Dies erfolgt sinnvollerweise meist auch gleich mit Architekturfestlegungen.
  • Durch Kauf oder Miete (z.B. in der "Cloud") von Integrierter Prozessorientierter Software ("ERP-Software"). Dann sind die Geschäftsprozesse in der Software hinterlegt. Denn es gilt: Prozessorientierte Software beruht immer auf vorgedachten Prozessen und Prozessmodellen.

Vorgedachte Geschäftsprozesse

Jede prozessorientierte Software realisiert Geschäftsprozesse. Für diese muss eine Modellvorstellung vorgelegen haben, sonst hätte sie nicht in Software "gegossen" werden können. Dies kann eine individuelle Lösung sein, dann sind die Geschäftsprozesse vom Softwarehaus bei einem bestimmten Unternehmen erhoben worden ("Individualsoftware") oder eine "für viele" (Standardsoftware). Dann sind die Geschäftsprozesse vom (Standard-)Softwarehaus so vorgedacht worden, dass sie auf viele Unternehmen passen.

Modellvorstellung

Dies sind in der Realität die wichtigsten "Referenzmodelle", da sie reale Prozessmodelle darstellen, die zum Einsatz kommen. Ihre Basis ist a) die Erfassung oder Festlegung der fachlichen Prozesse und b) deren Umsetzung in Software, im Rahmen eines entsprechenden Anforderungsmanagements. Es sind immer optimierte Prozesse (aus der Sicht der Ersteller) und doch aber so etwas wie Produkte "von der Stange" ohne individuellen Zuschnitt. Sie werden eher bei Supportprozessen akzeptiert, nicht bei Kernprozessen.

Vorgedachte Geschäftsprozesse sind möglich für Geschäftsprozesse und Architekturen mit wohlstrukturierten Problemen (vgl. Abschnitt 2.4). Dies können auch Teile von Geschäftsprozessen sein, die unstrukturierte und strukturierte Probleme mischen. Nehmen wir als Beispiel eine Strategieentwicklung (z.B. für eine Marketingkampagne). Wohlstrukturiert sind Aufgaben wie Projekteinrichtung, Projektstart, Mittelbereitstellung, Meetings durchführen, usw. Die eigentlichen Aufgaben (Strategiefindung, Schritte klären, usw.) sind aber unstrukturiert.

Exkurs: Integrierte prozessorientierte Standardsoftware

Es ist in diesem Text zwangsläufig sehr oft die Rede von diesem Softwaretyp. Deshalb hier eine kurze Abklärung.

Der in Organisationen aller Art meist genutzte Softwaretyp ist der in der Überschrift angeführte. Er wird meist ERP-Software genannt, auch die Bezeichnungen Unternehmenssoftware und Betriebswirtschaftliche Standardsoftware sind gebräuchlich.

Zerlegen wir die Bezeichnung:

Standardsoftware: Gegenstück zu Individualsoftware. Software für möglichst viele Nutzer in möglichst vielen Organisationen ("von der Stange").

Prozessorientierte Software: Eine Software, die zur Abwicklung von Geschäftsprozessen dient. Entweder indem sie die beteiligten Menschen unterstützt ("von Maske zu Maske führt") oder indem sie den Geschäftsprozess gleich ein Stück weit automatisch abwickelt. Wie auch immer, sie beruht auf jeden Fall auf vorgedachten Geschäftsprozessen und ihren Modellen.

Ein anderer bedeutender und nicht-prozessorien­tierter Softwaretyp ist Standardsoftware, die nicht prozessorientiert ist. Sie wird auch funktionsorientierte Software genannt, weil sie einzelne Aufgaben (Funktionen) abdeckt. Wichtiges Beispiel hier sind die Office-Pakete.

Integriert meint hier, dass die Software vollkommen in die Gesamt-IT integriert ist. Dass es also zwischen ihr und der übrigen Software des Unternehmens keine schwer zu überwindenden Schnittstellen gibt. Ursprünglich war damit gemeint, dass die einzelnen Komponenten der Software (Personalwesen, Vertrieb, Lager, Beschaffung usw. integriert (keine Insellösungen) waren. Dies kann man bei modernen Softwareprodukten aber voraussetzen.

Die folgende Abbildung visualisiert diese Eigenschaften und zeigt auch noch weitere mögliche Softwareausprägungen.


Abbildung 16.1-1:

Softwaretypen

Vgl. Abschnitt 17.3 für eine Kurzbeschreibung und [Staud 2006, Kapitel 3 in] für eine detaillierte Beschreibung dieses Softwaretyps.

16.2 Wertkette von Porter

Porter schlug eine Wahrnehmung der Geschäftsprozesse in einem typischen Industrieunternehmen vor, die durchschlagenden Erfolg hatte. Sie baut auf seinen Überlegungen zur Wertschöpfung und zur Wertschöpfungskette auf.

Die Wertschöpfungskette besteht aus neun Firmenaktivitäten, die zur Herstellung und Wertsteigerung eines Produkts beitragen (einschließlich der Realisierung einer Gewinnspanne). Grob sind die Firmenaktivitäten unterteilt in ausführende Aktivitäten (auch primäre genannt), die direkt mit Herstellung, Vertrieb, usw. verbunden sind (z.B. Beschaffung, Vertrieb, Produktion) und sekundäre, mit denen die ausführenden unterstützt werden (Finanzwesen, Controlling, Personalwesen, usw.). Porter schlägt zwar nicht eine breite Palette von Geschäftsprozessen vor, aber er identifiziert zentrale Prozesse von besonderer Bedeutung und hat eine der Grundlagen für das Business Process Management gelegt.

Wertschöpfungskette

In der folgenden Abbildung ist die Wertschöpfungskette mit primären und sekundären Aktivitäten dargestellt. Ausgangspunkt ist der vom Kunden erhaltene und bezahlte Wert einer Leistung; alle Aktivitäten sind auf die Erzeugung dieses Werts/der Leistung ausgerichtet. Als Ergebnis der Erzeugung von Wert, abzüglich der entstandenen Kosten, liegt der Gewinn des Unternehmens vor.


Abbildung 16.2-1:

Wertkette eines Unternehmens (nach [Porter 1999, S. 66])

Die Eingangslogistik umfasst die Beschaffung und Bereitstellung von Materialien und Betriebsmitteln. Relevante Teilschritte sind Bestellabwicklung, Wareneingang, Lagerung, Bereitstellung und Transport. Diese Aktivität hat einen wesentlichen Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens. Z.B. hat eine optimale Bestellmengenplanung einen wesentlichen Einfluss auf die Kapitalbindung in Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und auf die Umlaufbestände in der Fertigung. Hauptaufgabe der Eingangslogistik ist die flexible und pünktliche Versorgung der Produktion und die Sicherstellung der Qualität der Bezugsmaterialien.

Eingangslogistik

Mit Operationen sind Produktion, Fertigungs- bzw. Produktionswirtschaft gemeint. Aufgaben sind hier z.B. die mechanische Bearbeitung, die Montage, die chemisch-physikalische Umwandlung von Stoffen oder der Betrieb komplexer Anlagen (z. B. Telekommunikationsnetzen oder Verkehrssystemen), die Instandhaltung und Qualitätsprüfung. Diese Teilschritte stellen materielle (Sachgüter) oder immaterielle (Dienstleistungen) Ergebnisse dar.

Operationen

Ein zentraler Aspekt im Rahmen der Wertschöpfung sind Marketing und Vertrieb. Dazu zählt z.B. die Erschließung geeigneter Vertriebswege, um Zugang zum Endkunden im Markt zu schaffen. Daneben ist die Kommunikation des Produktnutzens relevant (z. B. durch Werbung), um die erforderliche Zahlungsbereitschaft bei der Kundengruppe zu wecken.

Marketing und Vertrieb

Die Ausgangslogistik (Distribution) hat zum Ziel, die zeitliche und räumliche Verfügbarkeit der Erzeugnisse und Leistungen für den Kunden sicherzustellen. Teilprozesse sind der Unterhalt/Betrieb von zentralen/dezentralen Distributionslägern, die Kommissionierung, der Transport und die Informationsverarbeitung. Die Ausgangslogistik ist relevant, da Produkte/Dienstleitungen (als Ergebnis der Operations) durch die Verfügbarkeit (Informations-, Orts- und Zeitnutzen) zur Bedürfnisbefriedigung beim Kunden beitragen.

Ausgangslogistik

Der Kundendienst trägt ebenso zur Wertsteigerung und -erhaltung des primären Produktes bei. Der Kundendienst kann dabei entweder kostenlos zusätzlich erbracht oder gegen Entgelt angeboten werden. Für Softwareanbieter stellt die Installation, Einführung, Schulung und Pflege ihrer Produkte eine wichtige Erlösquelle dar.

Kundendiensts

Die Beschaffung (Einkauf) ist darauf ausgerichtet, eine leistungsfähige Lieferantenbasis zu entwickeln, die die Wettbewerbsstrategie des Unternehmens unterstützt. Zu Teilschritten gehören die Beschaffungsmarktforschung, die Lieferantenauswahl, die Gestaltung der Lieferantenbeziehung, die gezielte Entwicklung der Leistungsfähigkeit interessanter potenzieller Beschaffungsquellen, die Pflege der Lieferantenbeziehung im Hinblick auf die gemeinsam verfolgten Ziele und die Durchsetzung günstiger Konditionen zu Lasten der Wertschöpfung vorgelagerter Stufen. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Beschaffung sind je nach Fremdbezugsanteil und Stellung des Unternehmens im Beschaffungsmarkt (Einkaufsmacht) unterschiedlich. Insbesondere der Fremdbezug (Outsourcing) von Sachgütern und Dienstleistungen und die Verlagerung von Leistungsprozessen (Offshoring) in kostengünstige Wachstumsregionen hat die Relevanz der Beschaffung erhöht.

Beschaffung

Die Technologieentwicklung ist auf die Beherrschung und Verbesserung technischer Prozesse gerichtet; sie betrifft daher alle primären und sekundären Aktivitäten. Die Beherrschung wettbewerbsrelevanter Technologien ist von großer Bedeutung für den Unternehmenserfolg, da Technologien in primären Aktivitätsbereichen wie Produktion und Logistik zu Kosteneinsparungen führen.

Technologie

Die Personalwirtschaft ist für die Qualität, Verfügbarkeit und Motivation von Mitarbeitern zuständig.

Die Unternehmensinfrastruktur stellt den Input für alle anderen Aktivitäten bereit. Wesentliche Bereiche sind z. B. das Rechnungswesen, das Planungs- und Managementsystem und Systeme der Informations- und Kommunikationstechnik. Komplexer strukturierte Großunternehmen haben im Bereich der Unternehmensinfrastruktur oftmals Redundanzen, z. B. wenn Rechtsabteilungen oder IT-Servicebereiche bei mehreren Tochtergesellschaften parallel vorhanden sind. Solche allgemeinen Bereiche werden deshalb oft für eine ganze Unternehmensgruppe zentral angeboten, an Dienstleister ausgelagert (Outsourcing) und dabei auch an kostengünstige Standorte verlagert (z. B. Callcenter). In diesem Zusammenhang spricht man auch von Shared Services und Business Process Outsourcing.

Infrastruktur

Die primären und sekundären Aktivitäten unterteilen sich in die folgenden drei Kategorien:

  • Direkte Aktivitäten sind unmittelbar auf die Leistungserbringung und die Wertschöpfung gerichtet. Sie sind an der Wertbildung für Kunden beteiligt; z.B. Montage, Werbung.
  • Indirekte Aktivitäten dienen dagegen nur mittelbar der Wertschöpfung; z. B. Instandhaltung, Terminplanung, Anlagenbetrieb, verwaltende Aktivitäten. Indirekte Aktivitäten ermöglichen die direkten Aktivitäten durch vorbereitende, ordnende oder stabilisierende Maßnahmen.
  • Die Qualitätssicherung ist eine weitere eigenständige Aktivitätskategorie; sie unterstützt die Planung, Sicherung und Prüfung der Qualität in den übrigen Aktivitäten. Die Kosten für diese Qualitätssicherung werden in der Regel durch Einsparungen in den verbesserten Prozessen (z.B. verringerter Ausschuss, stärkere Anlagennutzung) kompensiert.

16.3 Das ARIS-Konzept

ARIS steht für Architektur integrierter Informationssysteme.

Das ARIS-Konzept ist eine Architekturempfehlung für die IT und ein Vorschlag für die Vorgehensweise bei der Gestaltung einer IT. Es wurde von Scheer schon in den 1970er-Jahren vorgestellt, hat aber bis heute seine Aussagekraft nicht verloren. Es ist in zahlreichen seiner Veröffentlichungen beschrieben (beispielhaft [Scheer 1997]). Wegen seiner großen Bedeutung – nicht nur in theoretischer sondern auch in praktischer Hinsicht – soll es hier kurz vorgestellt werden.

Das ARIS-Konzept ist prozesszentriert, d.h. es empfiehlt die Wahrnehmung der betrieblichen Realität als ein zielgerichtetes Miteinander von Geschäftsprozessen. Dies ist heute selbstverständlich, war es aber damals aber nicht. Gegenstand ist – wie oben schon angemerkt – die IT, genauer, deren Gestaltung.

Komponenten, Sichten

Folgende Komponenten, die er Sichten nennt, definiert Scheer in seinem Konzept:

  • Datensicht
  • Funktionssicht
  • Organisationssicht
  • Ressourcensicht
  • Steuerungssicht

Er nennt sie Sichten, weil ihr Gegenstand jeweils eine bestimmte Sicht auf die IT einer Organisation darstellt. Die Datensicht erfasst die Zustände und Ereignisse, die durch Daten repräsentiert werden. Gemeint sind die Daten der Datenbank, die mithilfe eines Datenmodells erstellt wurden. Das von Scheer hierfür vorgeschlagene Werkzeug sind ER-Modelle.

Datensicht

Mit Funktionssicht bezeichnet er die auszuführenden Funktionen und deren Zusammenhang. Hierzu gehört die Beschreibung der Funktion, die Aufzählung der einzelnen Teilfunktionen sowie die zwischen den Funktionen bestehenden Anordnungsbeziehungen. Erfasst werden sie z.B. durch Funktionsbäume.

Funktionssicht

Bearbeiter und Organisationseinheiten machen die Organisationssicht aus. Das Darstellungsmittel sind hier z.B. Organigramme. Eine moderne Sichtweise muss an dieser Stelle Nutzer von Software und die genutzten Anwendungsprogramme anführen, da heutzutage ja oft keine Benutzer mehr vorhanden sind.

Organisationssicht

Mit dem Begriff Ressourcensicht sind die Komponenten der Informationstechnik gemeint. Sie zielt somit auf die konkrete Hardware und Software.

Ressourcensicht

Den integrativen Aspekt betont wiederum die Steuerungssicht. Sie soll die Verbindung zwischen den anderen Sichten deutlich machen. Zentral ist hier die Geschäftstätigkeit, der letztendlich alle übrigen Ressourcen dienen. Man kann es auch so forumlieren: Die Analyse der Organisations-, Daten- und Ressoourcensicht muss von den Geschäftsprozessen ausgehend erfolgen.

Steuerungssicht

In der Leistungssicht, die in den ersten Jahren nicht ins Konzept integriert war, die Scheer später ergänzt hat, sind die unterschiedlichen Leistungsarten wie Sach-, Dienst- und Informationsleistungen zusammengefasst.

Leistungssicht

Insgesamt empfiehlt der Ansatz somit, neben der integrierten Betrachtung der Geschäftsprozesse auch den durch die Sichten spezifizierten. Diese entsprechen im Übrigen den überkommenen Vorgehensweisen, wo natürlich auch Datenstrukturen, Organisationsstrukturen, usw. analysiert wurden. Diese Komponenten ordnete er so an, wie es die folgende Abbildung zeigt, und stellt damit die Sichten in Beziehung: Ausgangspunkt ist die Steuerungssicht (die Geschäftsprozesse), von diesen ausgehend sollen die Datensicht (Datenbanken), Funktionen (Anwendungen) und die Organisationsstruktur gestaltet werden.

Empfehlung


Abbildung 16.3-1:

Die Sichten der ARIS-Architektur
Quelle: Eigene Darstellung nach [Scheer1998a, S. 41]

Beschreibungsebenen

Die Ressourcensicht war ja oben nicht dabei. Sie kommt jetzt, bei der Definition einer zweiten wichtigen Dimension – den Beschreibungsebenen – wieder zum Konzept dazu. In dieser zweiten Dimension drückt er aus, dass die in den Sichten stattfindenden Aktivitäten eine unterschiedliche Nähe zur Informationstechnik haben. Die drei Ebenen sind wie folgt benannt:

  • Fachkonzept (Semantische Modelle)
  • DV-Konzept
  • Technische Implementierung

Mit dem Begriff Fachkonzept beschreibt Scheer so etwas wie die Semantik eines Anwendungsbereichs, die natürlich umfassend beschrieben werden muss:

Fachkonzept

„Deshalb wird in einem Fachkonzept das zu unterstützende betriebswirtschaftliche Anwendungskonzept in einer soweit formalisierten Sprache beschrieben, dass es Ausgangspunkt einer konsistenten Umsetzung in die Informationstechnik sein kann.“ [Scheer 1998a, S. 15].

Das Fachkonzept ist von besonderer Bedeutung, da es „langfristiger Träger des betriebswirtschaftlichen Gedankengutes ist“ [ebenda S. 16]

Im DV-Konzept wird das Fachkonzept in die „Kategorien der DV-Umsetzung“ übertragen. Anstelle von Funktionen treten die sie ausführenden Modelle oder Benutzertransaktionen. Somit handelt es sich um eine „Anpassung der Fachbeschreibung an die generellen Schnittstellen der Informationstechnik“ [ebenda, S. 15].

DV-Konzept

Mit der dritten Ebene, der Technischen Implementierung, ist die konkrete technische Implementierung der Datenverarbeitung gemeint.

Technische Implementierung

Scheer verknüpft nun die zwei Dimensionen (Sichten und Beschreibungsebenen) seines Ansatzes und schlägt vor, in jeder Sicht diese drei Ebenen zu unterscheiden. Die graphische Repräsentation dieser Überlegung zeigt die folgende Abbildung.

Über der Abbildung ist die Realwelt, die z.B. aus den Strukturen und Abläufen eines Unternehmens besteht, als Betriebswirtschaftliche Problemstellung miteingefügt. Zusammengefasst schlägt dieser theoretische Ansatz somit vor, bei der Analyse und Gestaltung von IT-Systemen die Sichten zu unterscheiden und in diesen jeweils die drei Ebenen der DV-Gestaltung.

Methoden

Damit lassen sich, wie auch die Abbildung zeigt, in der ARIS-Architektur 13 Bereiche unterscheiden, wenn man die Betriebswirtschaftliche Problemstellung mit dazu nimmt. Für jeden dieser Bereiche stellt Scheer geeignete Methoden für den Aufbau und die Analyse der IT vor.

Für die Betriebswirtschaftliche Problemstellung schlägt Scheer Vorgangskettendiagramme (VKD) vor. Nach den Erfahrungen des Verfassers wird in der Praxis in dieser Phase allerdings meist nicht zu formalen Techniken, sondern zu textlichen Beschreibungen gegriffen.

Betriebs­wirtschaftliche Problem­stellung

Vorgangskettendiagramme und Hinweise für deren Aufbau finden sich in [Scheer 1997]. Vgl. zum Beispiel die dortige Abbildung A.II.01 für ein Soll-Konzept einer Kundenauftragsbearbeitung. In [Scheer 1997] dienen Vorgangskettendiagramme auch zur überblicksartigen Einführung neuer Geschäftsprozesse.


Abbildung 16.3-2:

Die Sichten + Beschreibungsebenen der ARIS-ArchitekturQuelle: Eigene Darstellung nach [Scheer 1998a, S. 41]

Auf Fachkonzeptsebene schlägt Scheer für die Funktionssicht Hierarchiediagramme (Funktionsbäume) vor. Die Zerlegung soll dort enden, wo Funktionen erreicht werden, die in einem Arbeitsablauf bearbeitet werden (Elementarfunktionen). Funktionsbäume sind statisch, d.h. die Reihenfolge in der die Teilfunktionen abgewickelt werden, ist nicht ersichtlich. Für die Organisationssicht empfiehlt er Organigramme. Als Verknüpfungsart zwischen Organisationseinheiten wird die Weisungsbefugnis gewählt. Für die Datensicht wählt er ER-Modelle [Anmerkung] , mit einigen Änderungen gegenüber der Standardterminologie. Die Steuerungssicht wird u.a. durch Prozessmodelle erfasst.

Beschreibungs­ebene Fachkonzept

16.4 Das Handels-H

Eine umfassende Analyse der Informationssysteme und damit der Prozesslandschaft im Handel stellen Becker/Meise vor. Sie verwenden den Begriff Ordnungsrahmen für die Modellvorstellung. Dabei geht es um übergeordnete Zusammenhänge, um vorkommende Geschäftsprozesse und ihr Zusammenwirken, nicht um einzelne konkrete Prozesse (vgl. [Becker und Meise 2012, Kapitel 4], [Becker und Meise 2012, S. 114ff]). Eine umfangreichere Darstellung auch mit einer grafischen Darstellung des Ordnungsrahmens findet sich in [Becker und Schütte 2004]. Der Ordnungsrahmen ist wie folgt aufgebaut:

  • Als grobe Bereiche werden Beschaffung, Produktion und Lager unterschieden.
  • Beschaffung (Aufgaben mit Lieferantenbezug) wird in Einkauf, Disposition, Wareneingang, Rechnungsprüfung und Kreditorenbuchhaltung unterschieden (in zeitlicher Abfolge)
  • Produktion (Aufgaben mit Kundenbezug) wird in Marketing, Verkauf, Warenausgang, Fakturierung und Debitorenbuchhaltung unterschieden (in zeitlicher Abfolge)
  • Lager: Die Überbrückungsfunktion wird auch grafisch ausgedrückt
  • Unteres Rechteck: betriebswirtschaftlich-administrative Funktionen
  • Leitungs- und Führungsfunktionen

Neben diesem Ordnungsrahmen für das Lagergeschäft gibt es noch Varianten für das Strecken- und Zentralregulierungsgeschäft (vgl. [Becker und Meise 2012, S. 114]).

So wie jetzt beschrieben, stellt dieser Ordnungsrahmen eine Zusammenstellung der Hauptaufgaben und ihren Zusammenhang dar. Also: Architektur eines Informationssystems und seiner Prozesse.

In einer zweiten Dimension sind dann die Ebenen Funktionen, Daten und Prozesse angedeutet. Dies drückt aus, dass für die Realisierung der jeweiligen Geschäftsprozesse Funktionen, Daten und Prozesse notwendig sind, bzw. dass diese drei Sichten eingenommen werden sollten.

<<Vgl. Abb. 4.1 von [Becker und Meise 2012]. Auch: Ergänzung>>

16.5 Nach Schmelzer / Sesselmann

Das Referenzprozessmodell von Schmelzer/Sesselmann stellt, wiederum am Beispiel von Industrieunternehmen (mit Serienproduktion), überblicksartig die zu realisierenden Prozesse zusammen (vgl. [Schmelzer und Sesselmann 2008, S. 231], [Schmelzer und Sesselmann 2013, S. 249]). Es unterscheidet primäre und sekundäre Prozesse. Siehe auch die folgende Abbildung. Betont wird die Kundenorientierung: Kundenanforderungen sind der Ausgangspunkt, die Leistungserbringung gegenüber dem Kunden mit dem erhofften Ziel der Kundenzufriedenheit ist der Endpunkt.

Bei den sekundären Prozessen werden die Unterstützungsprozesse (Supportprozesse) und die Strategieplanungsprozesse unterschieden.


Abbildung 16.5-1:

Referenzprozessmodell von Schmelzer/Sesselmann.
Quelle: [Schmelzer und Sesselmann 2008, S. 231])

Innerhalb des Innovationsprozesses erfolgt die Gewinnung, Konkretisierung und Selektion von Ideen. Diese Ideen beziehen sich entweder auf neue Produkte/Prozesse, oder auf die Verbesserung bestehender Produkte/Prozesse. Im Rahmen dieses Prozesses wird die Spanne von der Ideenfindung bis zur Machbarkeitsprüfung technischer Innovationsideen abgedeckt. Teilprozesse sind: Technologien planen/bereitstellen, Ideen gewinnen/vorselektieren, Machbarkeit prüfen, Ideen auswählen und Vorentwicklung durchführen (vgl. [Schmelzer und Sesselmann 2008, S. 200ff]).

Im Produktplanungsprozess erfolgt die Erarbeitung von Produktkonzepten. Ausgangspunkt sind hierbei die Ergebnisse des Innovationsprozesses. Der Prozess deckt den Bereich der Produktidee bis zum Pflichtenheft ab. Relevante Teilprozesse sind: Markt/Wettbewerber beobachten, Produktstrategie/-programm planen, Produktprofil/-konzept planen und Produkte steuern [ebenda, S. 203ff].

Der Produktentwicklungsprozess beinhaltet die Erarbeitung von Entwicklungsprojekten für Produkte, Produktversionen und Produktänderungen. Startpunkt des Prozesses ist das Pflichtenheft und Endpunkt die Lieferfreigabe. Teilprozesse sind: System entwerfen, Hardwarekomponenten entwickeln, Softwarekomponenten entwickeln, System intergieren/testen und System min Fertigung überleiten [ebenda, S. 205ff].

Der Vertriebsprozess hat zum Ziel, eine langfristige Kundebindung aufzubauen. Dafür erfolgt eine Kundenkommunikation, die die Feststellung der Kundenbedürfnisse, die Vermittlung des Leistungsangebots und die Abfrage der Kundenzufriedenheit beinhaltet. Teilprozesse sind: Kunden betreuen, Kundenbedürfnisse analysieren, Angebote erstellen, Aufträge abschließen und Vertrieb unterstützen (als zentraler Vertriebssupport) [ebenda, S. 209ff].

Im Rahmen des Auftragsabwicklungsprozesses wird der Auftragseingang bis zur bezahlten Rechnung abgedeckt. Teilprozesse sind. Auftrag erfassen/einplanen, Material abrufen/bereitstellen, Produkt/System fertigen, Produkt/System liefern, Auftrag fakturieren. Die einzelnen Teilschritte innerhalb des Auftragsabwicklungsprozesses sind aus Sicht des Kunden nicht von hoher Relevanz, da dieser die bestellten Produkte pünktlich und in der korrekten Ausführung/Qualität/Menge erhalten möchte [ebenda, S. 211].

Der Serviceprozess beinhaltet die Betreuung des Kunden nach dem Kauf; diese Betreuung beinhaltet die Hilfe bei Schwierigkeiten und die Behebung von Produktmängeln, um den Produkteinsatz zu gewährleisten. Der Serviceprozess beeinflusst die Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität und Kundenbindung. Informationen, die innerhalb dieses Prozesses gewonnen werden, dienen der Verbesserung von Produkten und Prozessen. Teilprozesse sind: Kundenfragen vorklären, Problemlösung veranlassen, Problem lösen, Produkte/Systeme installieren/warten und Service unterstützen [ebenda, S. 215f].

Die aufgeführten primären Prozesse werden zusätzlich anhand einheitlicher Kriterien beschrieben. In der folgenden Tabelle ist exemplarisch die Beschreibung des Innovationsprozesses dargestellt (Quelle: [Schmelzer und Sesselmann 2008, S. 201]).

 


Beispiel Innovationsprozess

 

Prozessname: Innovationsprozess

von: Kundenproblem

bis: ausgewählte Produkt-/Prozessideen

Prozessverantwortlicher: Name

Objekt:

Produkt-/Prozessidee

 

Prozessinputs:

Forschungsergebnisse, Patente, Kundenprobleme, Konkurrenzprodukte

Lieferanten:

Forschungsinstitute, Literatur, Kongresse, Mitarbeiter, Kunden, Wettbewerber, Zulieferer

Prozessergebnis:

Technologien, Prototypen, ausgewählte Produkt-/Prozessideen, Durchführbarkeitsstudien, Basislösungen, (Plattformen, Systemkonzepte), Patente

Kunden:

Strategieplanungsprozess, Produktplanungsprozess, Produktentwicklungsprozess, Fertigungsprozess


Neben der Beschreibung der Prozesse sind auch die dazugehörigen Teilprozesse detailliert beschrieben. Vgl. dazu die folgende Tabelle (Quelle: [Schmelzer und Sesselmann 2008, S. 202]).

 


Teilprozesse

Technologien planen / bereitstellen

Ideen gewinnen/ vorselektieren

Machbarkeit prüfen

Objekte

Technologie

Produkt-/Prozessidee

Produkt-/Prozessidee

Inputs

Forschungsberichte, Patentrecherchen

Technologien, Kundenprobleme, Konkurrenzprodukte

vorselektierte Produkte-/ Prozessideen

Ergebnisse

Technologiestrategie, Technologieprojekte

vorselektierte Produkte-/Prozessideen

Prototypen, Labormuster, Machbarkeitsstudien, Patente

Methode

Szenarien, S-Kurve, Technologie-Roadmap, Technologie-Portfolio

Kreativitätstechniken

Rapid Prototyping


 


Teilprozesse

Ideen auswählen

Vorentwicklungen durchführen

Objekte

Prozessidee

Vorentwicklungsprojekte

Inputs

Prototypen, Labormuster, Machbarkeitsstudien

ausgewählte Produkt- und Prozessideen

Ergebnisse

ausgewählte Produkt- und Prozessideen

Plattformen, Architekturen, kritische Komponenten

Methode

Famp;E-Portfolio

Projektmanagement


Sekundäre Prozesse (Supportprozesse)

Im Rahmen des Strategieplanungsprozesses erfolgen die Planung bzw. regelmäßige Überarbeitung der Geschäfts- und Prozessstrategie. Folgende Teilprozesse sind hierbei relevant: Geschäftssituation aufzeigen/analysieren, Trends aufzeigen, Geschäfts-/Prozesssituation bewerten, Geschäfts-/Prozessstrategie festlegen, Geschäftsplan/Prozessmodell erstellen (vgl. [Schmelzer und Sesselmann 2008, S. 219]).

Strategieplanung

Der Personalmanagementprozess soll personelle Ressourcen planen und steuern, um somit qualifizierte/Motivierte Mitarbeiter zu gewinnen und an das Unternehmen zu binden. Folgende Teilprozesse liegen vor: Planen des Personalbedarfs, Beschaffen des Personals, Betreuen des Personals, Beraten des Personals, Qualifizieren/entwickeln/fördern des Personals und Abbau von Personal [ebenda, S. 221f].

Personalmanagement

Im Rahmen des Finanzmanagementprozesses werden finanzielle Mittel geplant und gesteuert Zielsetzung ist es dabei, eine geeignete Vermögens- und Geldmitteldisposition vorzuhalten. Folgende Teilschritte liegen vor: Finanzbedarf planen/abdecken, Liquidität planen/realisieren/kontrollieren, Kapital beschaffen/anlegen, Anlagen-/Finanzbuchhaltung durchführen, Zahlungseingänge überwachen und Steuer-/Versicherungsfragen klären [ebenda, S. 222]).

Finanzmanagement

Der Ressourcenmanagementprozess plant und steuert die notwendigen Ressourcen wie zum Beispiel Standorte, Gebäude, Maschinen, Werkzeuge, Transporteinrichtungen und die Energieversorgung. Teilprozesse sind: Ressourcen planen/beschaffen, Ressourcen installieren/warten/instand halten, Ressourcen wiederverwenden/entsorgen, Lieferanten bewerten/auswählen und Nutzer beraten [ebenda, S. 222]).

Ressourcenmanagement

Der IT-Management-Prozess beinhaltet die Unterstützung des Unternehmens mit IT-Systemen. Zielsetzung ist es dabei, einen reibungslosen und wirtschaftlichen Ablauf der Information und Kommunikation innerhalb des Unternehmens sicherzustellen. Teilprozesse sind: IT-Systeme planen/beschaffen, IT-Systeme betreuen, Rechenzentrum betreiben, Dokumente verwalten/archivieren, Daten sichern/schützen und Anwender beraten [ebenda, S. 222f].

IT-Management

Innerhalb des Qualitätsmanagementprozesses werden Rahmenbedingungen geschaffen, die eine Qualität sicherstellen und sie Einhaltung relevanter Qualitätsvorschriften sicherstellen. Teilprozesse sind: QM-System einführen/anpassen/auditieren/­zertifi­zie­ren, Management-Reviews/Q-Assessments koordinieren, Q-Dokumente/Berichte erstellen/lenken, QM schulen und QM beraten [ebenda, S. 223].

Qualitätsmanagement

Im Rahmen des Controllingprozesses erfolgt die Planung/Umsetzungskontrolle der operativen Geschäftsziele. Teilprozesse sind: Businessplan erstellen, operative Ziele planen/kontrollieren, Kosten-/Leistungsrechnung durchführen, Kennzahlen-/Informa­tions­system entwickeln/implementieren, Compliance Management durchführen, Controllingmethoden/-instrumente auswählen/bereitstellen und Weiterbilden/Beraten.

Controlling

Zusammenfassend kann festgehalten werden: Das Referenzprozessmodell von Schmelzer/Sesselmann setzt sich aus primären und sekundären Prozessen zusammen. Primäre Prozesse nehmen Kundenanforderungen auf und setzen diese in Kundenzufriedenheit um. Das Modell umfasst zahlreiche Prozesse und Subprozesse.

16.6 Das SCOR-Modell

Das SCOR-Modell (Supply Chain Operations Reference-Modell) ist für den Produktionsbereich gedacht und berücksichtigt die gesamte Supply Chain (Wertschöpfungskette). Dabei stehen die operativen, unternehmensübergreifenden logistischen Prozesse und die Koordination dieser Prozesse im Vordergrund. Es soll also der gesamte Lebenszyklus eines Produkts (von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung) analysiert und gestaltet werden. Das SCOR-Modell wurde vom Supply-Chain Council, einem gemeinnützigen Industrieverband mit ca. 1.000 internationalen Unternehmen, entwickelt. Zielsetzung ist, ein branchenübergreifendes Referenzmodell für Supply-Chain-Prozesse zu entwickeln, einen Standard zu setzen und damit die Durchsetzung des Supply-Chain-Konzepts zu fördern. Seine Zielsetzungen sind:

  • Erfassung des Istzustands von Supply-Chain-Prozessen und Entwicklung von Sollkonzepten
  • Messung der operativen Prozessleistung und Zielorientierung an „Best-in-Class-Ergebnissen“
  • Identifikation erfolgreicher Managementpraktiken und Softwarelösungen.
  • Einführung definierter Standardprozesse ermöglichen
  • Bereitstellung eines Rahmens für die Beschreibung und Kommunikation der Referenzprozesse
  • Unterstützung einer situationsgerechten Anpassung

Es berücksichtigt fünf Kategorien von Supply-Chain-Prozessen: Plan, Source, Make, Deliver, Return (Planung, Beschaffung, Herstellung, Lieferung und Rücknahme). In der folgenden Abbildung sind die Supply-Chain-Prozesse in ihrem Kontext zu Lieferanten und Kunden dargestellt.


Abbildung 16.6-1:

Supply Chain-Prozesse nach SCOR (Quelle: [SCOR 2005, S. 5])

Die Supply-Chain-Prozesse sind wie folgt definiert (vgl. [Scor 2005, S. 6]):

Plan

Im Rahmen der Planung geht darum, das Kapazitätsangebot und die Kapazitätsnachfrage abzustimmen und somit die Rahmenbedingungen für die übrigen Prozesse zu schaffen. Daneben sollen Geschäftsregeln, die Leistungs der Supply Chain, die Datengewinnung und das Inventar verwaltet werden.

Source

Die Beschaffung beinhaltet den Erwerb, den Erhalt, die Prüfung und die Bereitstellung der (Vor-) Produkte und Dienstleistungen.

Make

Die Herstellung beinhaltet die Produktionsplanung, Produktionsausführung, Montage, Qualitätskontrolle und Verpackung. Es sollen End-/Zwischenprodukte hergestellt, die dann an Kunden geliefert werden. Hierbei ist zwischen Make-to-stock (Lagerfertigung), Make-to-order (Auftragsfertigung) und Engineer-to-order (Projektfertigung) zu unterscheiden.

Deliver

Die Lieferung umfasst die Auftragsabwicklung, das Lager- und das Transportmanagement für Produkte oder Dienstleistungen.

Return

Im Rahmen der Rücknahme werden fehlerhafte, unerwünschte oder nicht mehr benötigte Produkte angenommen und die Rücksendung von Rohstoffen an Lieferanten gesteuert.

Neben diesen fünf Kategorien berücksichtigt das SCOR-Modell vier Detaillierungsebenen; der Fokus des SCOR-Modells bezieht sich aber nur auf die ersten drei Ebenen, da die vierte Ebene unternehmensindividuell auszugestalten ist (= Implementierungsebene). Die vier Ebenen sind in der folgenden Abbildung dargestellt.


Abbildung 16.6-2:

Ebenen des SCOR-Modells. Quelle: [SCOR 2005, S. 6]

Die vier Ebenen sind nachfolgend kurz erläutert (vgl. [SCOR 2005, S. 6-11]):

Die erste Ebene (höchste Prozessebene) identifiziert die wettbewerbsrelevanten Supply-Chain-Prozesse eines Unternehmens und legt die Leistungsziele für diese Prozesse fest. Somit sind der Aufgabenumfang der Supply Chain, ihre Teilnehmer und die Beziehungen der Prozesse definiert. Für ein Maschinebauunternehmen können z.B. die Planung und die Koordination der Wertschöpfungsaktivitäten entscheidend sein, wohingegen für einen Lebensmittelhersteller der Wettbewerbsvorteil in der Produktion oder der Distribution liegt.

Ebene 1

Auf der Ebene 2 (Konfigurationsebene) findet eine Konfiguration der relevanten Kernprozesse statt; als Basis dient hierbei die verfolgte Wettbewerbsstrategie. Um die Konfiguration vorzunehmen, werden 30 Standardprozesskategorien eingesetzt. Hierbei werden einzelnen Prozessketten miteinander verknüpft; somit werden Schnittstellen und Redundanzen erkannt. Die Prozesskategorien unterscheiden sich bei den Ausführungsprozessen (Source, Make, Deliver und Return) nach der Auftragsart (z.B. auftragsbezogene Produktion oder Produktion auf Lager). Die Planungsprozesse werden nach den jeweiligen Ausführungsprozessen untergliedert. Werden z.B. vom Markt kurze Lieferzeiten und niedrige Fertigungskosten gefordert, so kann ein Unternehmen die kundenanonyme Lagerfertigung von Komponenten mit der kundenindividuellen Montage und Lieferung kombinieren.

Ebene 2

Auf der Ebene 3 (Gestaltungsebene) werden die Prozesskategorien mittels Prozesselementen konkretisiert. Die Prozesselemente beschreiben die wesentlichen Prozessschritte (Teilprozesse) der jeweiligen Prozesskategorie, inkl. deren In- und Output, deren Reihenfolge und deren Ein- und Ausgangsinformationen. Die Ebene 3 enthält ebenso Best Practices und verfügbare informationstechnische Anwendungssysteme. Daneben schafft die Ebene 3 die Basis für Benchmarks.

Ebene 3

Auf der Ebene 4 (Implementierungsebene) findet die Beschreibung der unternehmensspezifischen Aufgaben und Aktivitäten für jedes Prozesselement statt. Hierfür liegen keine Modellierungselemente vor, da die Abbildung sehr detailliert und unternehmensspezifisch ist und da Modellierungsverfahren existieren, die eingesetzt werden können.

Ebene 4

Bitte beachten: Das Supply Chain Operation Reference-Model wurde vom Supply-Chain Council (SCC) entwickelt und gepflegt. Das SCC ist eine unabhängige, nicht-gewinnorientierte Organisation. Im Jahr 2014 fusionierte der Supply-Chain Council mit der APICS unter dem neuen Namen APICS Supply-Chain Council (APICS SCC). Quelle: Wikipedia, "Supply-Chain Council".

16.7 Das EFQM - Modell

Neben Referenzprozessmodellen liegen auch Modelle vor, die Qualitätsmanagement durch Prozessorientierung fordern. Ein solches Modell ist das EFQM-Modell, das von der European Foundation for Quality Management erarbeitet wurde (www.efqm.org). Hintergrund der Entwicklung des EFQM-Modells war das Ziel, analog zum japanischen Deming Award und zum US-amerikanischen Malcolm Baldrige National Quality Award, einen europäischen Qualitätsmanagementpreis (= European Quality Award - EQA) einzuführen. Dabei werden Organisationen ausgezeichnet, die das Qualitätsmanagement in beispielhafter Weise umgesetzt haben. Das EFQM-Modell bezieht sich auf die Organisation als Ganzes und auf die Umsetzung des Qualitätsmanagements in allen Bereichen einer Organisation. Die folgende Abbildung stellt die Bestandteile des EFQM-Modells dar.


Abbildung 16.7-1:

EFQM-Modell. Quelle: [Bou Llusar et al. 2009, S. 7]

In diesem Modell werden Befähiger (Enabler) und Ergebnisse (Results) unterschieden.

Die Führung ist der erste Bestandteil und unterstreicht die Rolle des Managements innerhalb der Organisation. Ihre Aufgabe ist Entwicklung der Vision, der Mission und der Werte, um somit der Organisation eine Richtung und Handlungsprinzipien vorzugeben. Damit werden die Zielerreichung und der nachhaltige Erfolg von Unternehmen sichergestellt (vgl. [Wongrassamee et al. 2003, S. 17]).

Führung

Im Rahmen der Mitarbeiter als zweiter Bestandteil des Modells werden die Ausschöpfung des Potenzials der Mitarbeiter durch deren Management und Entwicklung bewertet. Daneben erfolgt an dieser Stelle auch die Bewertung des Umfelds, das eine Integration von Mitarbeitern in Qualitätsthemen ermöglichen soll. Basis für die Entfaltung des Potenzials der Mitarbeiter ist die Strategie der Organisation. Wichtige Prinzipien innerhalb dieses Bestandteils sind die Betrachtung des systemischen Zusammenwirkens der Mitarbeiter auf verschiedenen Ebenen, die Mitarbeiterorientierung, eigenständiges Handeln der Mitarbeiter, Kommunikation der Mitarbeiter und Anerkennung der Mitarbeiter. Die Wichtigkeit der Mitarbeiter wird dadurch unterstrichen, dass eine eigene Kategorie vorliegt, statt Mitarbeiter in die Kategorie Ressourcen zu integrieren.

Mitarbeiter

Auf Basis der Führung und der enthaltenen Vision, Mission und Werte erfolgt die Entwicklung entsprechender Strategien. Hierbei sollen alle Interessensgruppen, die Branchenstruktur und das unternehmerische Umfeld berücksichtigt werden. Aus der entwickelten Strategie werden anschließend die Politik des Unternehmens und untergeordnete Ziele bzw. Pläne erstellt, die der Umsetzung der Strategie dienen (vgl. Tummala und Tang 1994, S. 47).

Politik und Strategie

Partnerschaften und Ressourcen beinhalten die Bewertung der Nutzung von technologischen, materiellen, informellen und finanziellen Möglichkeiten. Neben den internen Ressourcen werden ebenfalls Lieferantenbeziehungen und Bindungen zu externen Partnern betrachtet. Die Planung und Steuerung der internen und externen Ressourcen erfolgt mittels eines integrativen strategischen Ansatzes (vgl. Bou-Llusar et al. 2009, S. 7).

Partnerschaften und Ressourcen

Die Prozesse einer Organisation stellen den zentralen Bestandteil des EFQM-Modells dar. Prozesse gehören zu den Befähigern einer Organisation, stellen aber auch die Schnittstelle zu den Ergebnissen dar. Dabei sollen Prozesse gestaltet, geführt und ständig verbessert werden, um Kunden und andere Interessengruppen zufriedenzustellen (vgl. [Bou Llusar et al. 2009, S. 7]). Im Rahmen der Prozesse liegen folgende Anforderungen vor:

Prozesse

  • systematische Gestaltung und systematisches Management von Prozessen
  • kundenorientierte Prozessverbesserung und -innovation
  • kundenorientierte Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen
  • Herstellung, Vermarktung und Betreuung der Produkte
  • Management der Kundenbeziehungen (Customer Relationship Management).

Mit den erläuterten Befähigern lassen sich Ergebnisse erzielen, die nachfolgend erläutert sind (vgl. [Wongrassamee et al. 2003, S. 17], [Tummala und Tang 1994, S. 47]).

  • Die Mitarbeiterergebnisse werden mittels Indikatoren wie z.B. Mitarbeiterzufriedenheit, -motivation und -identifikation gemessen.
  • Die Kundenergebnisse werden mittels Indikatoren wie z.B. Kundenzufriedenheit und -loyalität gemessen.
  • Innerhalb der Gesellschaftsergebnisse wird die Erfüllung gesellschaftlicher Bedürfnisse gemessen.
  • Die Schlüsselergebnisse enthalten Indikatoren zur Messung der finanziellen und nichtfinanziellen Leistung.

Zur Einschätzung von Organisationen hinsichtlich ihrer Leistung, werden die neun Bestandteile des EFQM-Modells mittels detaillierter Fragen bewertet. Hierfür liegen folgende Reifegrade vor: noch nicht begonnen, teilweise begonnen, beachtlicher Fortschritt und vollständig erreicht.

16.8 S-BPMN

In [Fleischmann et al. 2011] wird für die Prozessmodellierung ein Vorschlag formuliert, bei dem die beteiligten Menschen als Subjekte im Mittelpunkt stehen. Damit sollen subjektorientierte Prozessmodelle entstehen (S-BPM-Modelle) .

Ausgangspunkt des Vorschlags ist die natürliche Sprache. In einem typischen Satz gibt es ein Subjekt (Wer tut etwas?), ein Prädikat (Was wird getan?) und Objekte (Mit wem oder was wird etwas getan?). Das ist allerdings nichts neues, die gängigen Modellierungsmethoden beruhen auch darauf. In Ereignisgesteuerte Prozessketten beantworten z.B. die Organisationseinheiten das "Wer", die Funktionen das "Was" und die Informationsobjekte das "Mit wem". Während dort aber dann der Kontrollfluss (oder Sequenzfluss) in den Vordergrund rückt, soll das hier nicht so sein. Hier sollen die Menschen als Subjekte in den Mittelpunkt rücken. Und mit ihnen die für den Geschäftsprozess relevante Kommunikation zwischen ihnen, d.h. die ausgetauschten Nachrichten. Ein Prozessmodell besteht somit aus Subjekten und den Nachrichtenflüssen zwischen ihnen. Für jedes Subjekt wird dann in einem eigenen Modell der Ablauf im Detail dargestellt. Dieser enthält die Reihenfolge der von dem Subjekt empfangenen und gesendeten Nachrichten, die von ihm durchgeführten Einzelaktivitäten, Verzweigungen, usw.

Ausgangspunkt

Die Methode kennt in der Grundstruktur nur wenige Symbole:

Symbole

  • für Subjekte (Rechteck mit Kopfteil zur Beschriftung)
  • für Nachrichtenflüsse (Pfeil)
  • für Zustandsübergänge (Pfeile mit Beschriftung)
  • für Geschäftsobjekte
  • für Tätigkeiten der Mitarbeiter mit Angabe des Zustandes (Rechteck mit Beschriftung und Markern)
  • für Anfangs- und Endzustände (Markierung im Rechteck, linke obere bzw. rechte untere Ecke)

Vgl. [Fleischmann et al. 2011], z.B. die Abbildungen auf S. 34ff.

Die Vorgehensweise ist wie folgt [ebenda]: Zuerst werden die am Prozess beteiligten prozessspezifischen Rollen, die Subjekte und die zwischen ihnen ausgetauschten Nachrichten geklärt. Zu einer Nachricht können auch die evtl. vom Empfänger benötigten Daten hinzugefügt werden. Es entsteht eine erste grafische Darstellung.

Vorgehensweise

Danach wird betrachtet, "welche Aktivitäten und Interaktionen die Subjekte bei der Erledigung des Vorgangs in welcher Reihenfolge ausführen" [Fleischmann et al. 2011, S. 34]. Dies wird in Form von beschreibenden Sätzen oder auch grafisch dargestellt. Die grafische Form zeigt dann auf, in welcher Reihenfolge der Mitarbeiter Nachrichten sendet, empfängt oder welche internen Aktionen er ausführt. Hier ist von Zuständen und Zustandsübergängen die Rede, etwa so wie bei den Zustandsautomaten der UML. Also von Sendezustand, Empfangszustand, usw. Ein solches Modell entsteht für jeden Partizipanten, die Modelle der einzelnen Teilnehmer müssen natürlich zueinander passen.

Obige Beschreibung kann die Komplexität nur andeuten. Tatsächlich müssen, das machen auch die Ausführungen in [Fleischmann et al. 2011] deutlich, noch weit mehr Modellinformationen zusammengestellt werden, um aussagekräftige Prozessbeschreibungen zu erhalten.

Die Autoren gehen davon aus, dass das durch ein S-BPM-Modell spezifizierte Verhalten der Prozessbeteiligten direkt als Grundlage für die Ausführung verwendet werden kann. Die Prozessbeteiligten können damit eng in die IT-Entwicklung eingebunden werden.

16.9 Weitere Referenzmodelle

In [Schmelzer Sesselmann 2013, Abschnitt 5.2.2; S. 241ff] finden sich für den Bereich der Betriebswirtschaftlichen Referenzmodelle weitere Beispiele:

  • BAM: Business Activity Model, MIT Process Handbook
  • PCF: Process Classification Framework des American Productivity amp; Ouality Center (APQC) für unterschiedliche Industriebranchen
  • VRM: Value Reference Model der Value Chain Group (VCG) für die Industrie
  • REFA-Prozessmodelle für Industriebranchen
  • eTOM: enhanced Telecom Operations Map für Telekommunikationsunternehmen und IT-Dienstleistungen
  • Handels-H-Modell für Handelsunternehmen
  • SCOR: Supply Chain Operations Reference for Supply Chains
  • Referenzmodell ISO 12207 für Softwareentwicklungsprozesse
  • ITIL: Infrastructure Library für den IT-Betrieb
  • COBIT: Control Objectives for Information and related Technology for IT-Governance
  • Referenzmodell für das Innovationsmanagement

Vgl. [Schmelzer Sesselmann 2013, S. 241ff] und die dort angegebenen Quellen.