Es gibt in der Literatur zahlreiche Vorschläge, wie Geschäftsprozessmanagement eingeführt werden soll. Diese Vorschläge sind meist als Vorgehensmodelle definiert, die einem Phasenmodell folgen, ähnlich denen in der Softwareentwicklung [Gadatsch 2013, 2.2, Pos. 1776].

11.1 Nach Becker

Becker stellt ein Vorgehensmodell vor, das sieben Phasen beinhaltet (vgl. [Becker und Kahn 2004, S. 15 f] und [Becker 2013]).


Abbildung 11.1-1:

Vorgehensmodell von Becker

Im Rahmen der Modellierungsvorbereitung werden Gestaltungsempfehlungen zur Informationsmodellierung entwickelt. Dies ist eine wesentliche Aufgabe, um den Erfolg der Prozessmodellierung sicherzustellen. Als Ergebnis liegt der geeignete Modellierungsstandard vor, der die Erreichung der gesteckten Ziele sicherstellt.

Vorbereitung

In der Strategie- und Ordnungsrahmenentwicklung werden die Prozesse und Prozessziele strukturiert. Ziel ist, die wesentlichen Elemente und ihre Beziehung schematisch darzustellen, um die Transparenz im weiteren Projektverlauf sicherzustellen (für eine ausführliche Darstellung vgl. [Becker und Meise 2012]).

Strategie und Ordnungsrahmen

Die Istmodellierung und -analyse dient der Identifizierung von Verbesserungspotenzialen; sie ist also Grundlage für die Sollmodellierung, da Schwachstellen identifiziert werden. Daneben dient die Istmodellierung zu Protokollierungs-, Präsentations- oder Schulungszwecken.

Ist und Soll

Auf Basis der Istmodellierung erfolgt in dieser Phase die Sollmodellierung, also der Sollzustand der Prozesslandschaft des Unternehmens. Die Sollmodellierung bildet einerseits die Basis für die Ausrichtung der Aufbauorganisation des Unternehmens und andererseits die Basis für internes Benchmarking oder Workflow-Management.

Die prozessorientierte Aufbauorganisationsgestaltung geht von den Soll-Prozessen aus. Kriterien für die Festlegung der Aufbauorganisation sind Zeit, Kosten und Qualität.

Prozessorientierte Aufbauorganisation

Die Einführung der Neuorganisation umfasst die Einführung des konzeptionellen Entwurfs (Sollmodell, prozessorientierte Aufbauorganisation) im Rahmen der neuen Organisationsstruktur. Dafür wird eine Roll-Out-Strategie definiert, die den Ablauf und die zeitliche Abfolge der Einführung der neuen Prozesse beinhaltet. Um den Erfolg sicherzustellen, werden Change Management-Techniken eingesetzt.

Im Anschluss an die Implementierung einer prozessorientierten Organisationsstruktur ist es notwendig, ein kontinuierliches Prozessmanagement zu etablieren, um sich einem veränderten Umfeld anzupassen.

11.2 Nach Schmelzer/Sesselmann

Schmelzer und Sesselmann schlagen im Rahmen ihres Vorgehensmodells vier Phasen vor (vgl. [Schmelzer und Sesselmann 2008, S. 414]).


Abbildung 11.2-1:

Vorgehensmodell von Schmelzer und Sesselmann

Die strategische Positionierung beinhaltet die Prüfung und Neudefinition der strategischen Ausrichtung der Organisation. Wesentliche Inhalte sind die Entwicklung der Vision, die Klärung der Ausgangssituation und die Identifikation des Handlungsbedarfs für Prozessmanagement.

Strategie

Die Identifizierung der Geschäftsprozesse klärt, welche Geschäftsprozesse zur Erfül- lung der Geschäftsstrategie und der Kundenanforderungen notwendig sind.

Identifizierung

Die Implementierung der Geschäftsprozesse legt Prozessstrukturen, Prozessverant- wortliche und ein Prozessgremium fest. Daneben wird die Aufbauorganisation an die Geschäftsprozesse angepasst. Das Prozesscontrolling definiert Leistungsparameter mit Ziel- und Messgrößen und führt das Berichtssystem ein.

Implementierung

Die letzte Phase beinhaltet den operativen Ablauf und die Steuerung der Geschäftsprozesse. Hierfür werden die Prozessziele (Kundenzufriedenheit, Prozesszeit, Termintreue, Prozesskosten, Prozessqualität) laufend überwacht. Die Optimierung der Geschäftsprozesse erfolgt entweder in Form einer Prozessverbesserung oder in Form einer Prozesserneuerung. Die Prozessverbesserung beinhaltet die Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Prozesse. Die Prozesserneuerung beinhaltet hingegen die völlige Neugestaltung der Prozesse.

Verbesserung oder Erneuerung

11.3 Nach Österle

Ein Vorgehensmodell, das radikale Innovation im Prozessbereich beschreibt, ist das Vorgehensmodell von Österle.


Abbildung 11.3-1:

Vorgehensmodell von Österle [Österle 1995]

Die Prozessvision hat radikale Innovationen zum Ziel und nimmt einen Abgleich zwi- schen Strategie und Prozess vor. Sie ist langfristig orientiert, berücksichtigt IT-Potenziale und bietet eine Gesamtsicht auf den Prozess. Hauptergebnis der Prozessvision sind die Prozessgrundsätze (vgl. [Österle 1995, S.63 und 77]).

Vision

Die Leistungsanalyse soll die notwendigen Leistungen eines Prozesses detailliert erfassen, bewerten und dokumentieren. Ausgangspunkt ist hierbei der Kunde mit seinen Bedürfnissen. Hauptergebnisse der Leistungsanalyse sind das Kontextdiagramm (Leistungsaustausch zwischen Prozessen), das Leistungsverzeichnis (grobe Beschreibung der Leistungen) und das Qualitätsprofil (Beurteilung der Leistungen) [ebenda, S. 78-85].

Leistungsanalyse

Die Ablaufplanung legt die Aufgaben des Prozesses, deren Reihenfolge und die ausführenden Einheiten fest. Als Ergebnis liegen das Aufgabenkettendiagramm, das Aufgabenverzeichnis und stellenbezogene Dokumente vor [S. 98].

Ablauf

Die Workflowplanung detailliert das Aufgabenkettendiagramm und enthält zusätzlich: Ereignisse, Applikationen, Transaktionen, Datenflüsse und Bedingungen. Zur Unterstützung wird hierbei ein Workflow-Managementsystem eingesetzt [S. 104f].

Workflow

Die Prozessführung dient der Planung, Gestaltung und Beobachtung des Prozesses; sie beinhaltet kritische Erfolgsfaktoren, Führungsgrößen, Zielwerte und die Prozessorganisation. Diese Zielwerte werden einem Soll-Ist-Vergleich unterzogen, um darauf aufbauend Verbesserungsmaßnahmen abzuleiten [S. 127].

Prozessführung

Die Architekturplanung beinhaltet die Ableitung von Prozesskandidaten, deren Detaillierung, Prüfung und Auswahl. Als Ergebnis liegt eine Prozessarchitektur mit den wett- bewerbsentscheidenden Prozessen vor [S. 138].

Architekturplanung

Das IT-Assessment analysiert die wichtigsten technologischen Entwicklungen aus Sicht eines Prozesses und erstellt eine IT-Landkarte. Somit sollen IT-Potenziale für Prozesse genutzt werden (Enabler) [S. 139].

IT-Assessment

Die Kundenbeziehungsanalyse erhebt die Aufgaben des Kunden in Zusammenhang mit den angebotenen Prozessleistungen. Es werden ebenso die Aufgaben des Anbieters in Zusammenhang mit den Kundenbedürfnissen erhoben. Auf dieser Basis werden die Beziehungen zwischen den Aufgaben des Kunden und den Aufgaben des Anbieters bestimmt und Möglichkeiten aus der IT geprüft. Als Ergebnis liegt das Kundenbeziehungsdiagramm vor, das Ideen für die Prozessvision, die Architekturplanung und die Ablaufplanung liefert [S. 160].

Kundenbeziehungen

Aufgabenbezogene Analysen betrachten Durchlaufzeiten, Kosten und die Fehlerhäufigkeit von Prozessen; dabei werden die einzelnen Merkmale von Prozessen untersucht, um Verbesserungspotenziale abzuleiten [S. 161-164].

Benchmarking kann unternehmensintern, branchenintern oder branchenübergreifend durchgeführt werden. Als Ergebnis des Benchmarkings liegen Vergleichswerte (Soll- Werte) für die Führungsgrößen eines Prozesses und Lösungsvarianten für einzelne Bestandteile eines Prozesses vor [S. 167-169].

Benchmarking

Das organisatorische Monitoring erhebt Informationen zur Transaktionsnutzung, zu Daten- und Bewegungsvolumina, zu Funktionen und zu Abläufen. Somit können Führungsgrößen abgeleitet und Informationen für den Entwurf und die Weiterentwicklung des Prozesses bereitgestellt werden [ebenda, S. 170 und 179].

organisatorische Monitoring

Zusammenfassung

Es gibt in der Literatur zahlreiche Vorschläge, wie Geschäftsprozessmanagement eingeführt werden soll. Diese Vorschläge sind meist als Vorgehensmodelle definiert, die einem Phasenmodell folgen, ähnlich denen in der Softwareentwicklung. Wir haben in diesem Kapitel die Vorgehensmodelle von Becker, Schmelzer/Sesselmann und Österle betrachtet. Alle drei zeigen die Schritte auf, um Geschäftsprozessmanagement einzuführen. Die beiden erstgenannten gehen bezüglich der Geschäftsprozesse von einer schrittweisen Optimierung aus, während Österle im Rahmen der Formulierung einer Prozessvision eine radikale Innovation vorschlägt