Geschäftsprozesse werden nach unterschiedlichen Kriterien kategorisiert. Die wichtigsten werden wir hier betrachten. |
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3.1 Kern- und Supportprozesse |
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Angesichts der Bedeutung des Zieles, Wertschöpfung zu erreichen [Anmerkung] , verwundert die erste schon sehr früh in der Diskussion des Geschäftsprozessmanagements definierte (auf Porter zurückgehende) Unterscheidung nicht: in Geschäftsprozesse, die unmittelbar zur Wertschöpfung beitragen und in die übrigen. Erstere werden Kerngeschäftsprozesse, zweitere Supportprozesse oder unterstützende Prozesse genannt. Die Wortwahl "unmittelbar" bei der Definition der Kernprozesse ist wichtig. Natürlich leisten alle Geschäftsprozesse einen Beitrag, auch Finanz- und Personalwesen, die in der Regel zu den Supportprozessen gezählt werden. |
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Das ist wohl ein Grund, weshalb in der Literatur die Definition von Kerngeschäftsprozessen meist noch präzisiert wird in Bezug auf folgende Punkte: |
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Kerngeschäftsprozesse müssen, sollen sie auf Dauer erfolgreich sein, an den Kunden ausgerichtet werden (vgl. z.B. [Hammer und Champy 2006], [Gadatsch 2013, Position 346], [Schmelzer und Sesselmann 2013, S. 53]). Schmelzer/Sesselmann gehen sogar so weit, dass sie fordern, jeder Kerngeschäftsprozess müsse beim Kunden beginnen (Kundenwunsch) und bei ihm enden (Lieferung). |
Kundennähe |
Dies kann ergänzt werden. Da ja ständig neue Leistungen und Produkte entwickelt werden, von denen man hofft, dass sie von den Kunden angenommen werden, müssen auch die potentiellen Kunden in den Adresssatenkreis miteinbezogen werden. Der Erfolg dieser Ausrichtung wird gemessen durch den Erfolg der erbrachten Leistung. Wird das neue Smartphone von den Kunden gekauft, das selbstfahrende Kraftfahrzeug, der neue LifeTracker, usw.? Hier wird deutlich, dass Forschung und Entwicklung im Innovationsmanagement ebenfalls zu den Kernkompetenzen gehören. |
Potentielle Kunden |
Die durch die Kerngeschäftsprozesse erbrachten Leistungen stellen so etwas wie das Leistungsprofil der Organisation dar. Mit ihm hebt sich die Organisation von der Konkurrenz ab. Deshalb wird bei der Einrichtung der IT-Unterstützung bei Kerngeschäftsprozessen eher nicht zu Standardlösungen, sondern zu Indivualsoftware oder stark angepasster ERP-Software gegriffen. |
Profilbildung |
Kernprozesse stehen sozusagen voll im Wettbewerb. Sie sind wettbewerbskritisch [Gadatsch 2013, Position 346]. |
Wettbewerbssituation |
In der Regel geht es bei den Kernprozessen um den Leistungserstellungsprozess. Dies muss aber nicht sein. Wenn Leistungen nur durch inensives Marketing zum Kunden gebracht werden können, wird auch Marketing zum Kerngeschäftsprozess. Bei Banken und Sparkassen ist die Führung der Kundenkonten eine wichtige Aufgabe (vgl. auch unten), ein Teil der Leistungserbringung, die aber nur eingeschränkt zur Wertschöpfung beiträgt. Sie dient aber der Kundenbindung und wird deshalb beibehalten. |
Leistungserbringung |
Kerngeschäftsprozesse erscheinen oftmals fixiert, fast zementiert. Dies sind sie aber nicht, sie ändern sich im Zeitablauf. Teilweise oder auch ganz. Die Wirtschaftsgeschichte kennt zahlreiche Beispiele dafür. Zum Beispiel die Kreditinstitute, bei denen die Bereitstellung der Konten mal ein Kerngeschäftsprozess war oder große IT-Unternehmen, die von Hardwareprodukten auf Dienstleistungsangebote umstell(t)en (z.B. IBM). Auch die Konsumgüterindustrie gibt hier Hinweise. Wenn die Qualität des Produkts (z.B. des Schokoriegels) nur noch notwendige Bedingung für den Erfolg ist, aber nicht hinreichende, weil wirksames Marketing dazu kommen muss, dann kann Marketing als Kerngeschäftsprozess angesehen werden. |
Änderungen |
Grundsätzlich hilft folgende Überlegung: Welche Aktivitäten führen insgesamt dazu, dass die Leistung des Unternehmens auf dem Markt angenommen wird. Dies sind die Kernprozesse. |
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Beispiele für Kernprozesse |
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Abschließend noch einige Beispiele für Kernprozesse: |
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Etwas konkreter - Beispiele für kundennahe Geschäftsprozesse |
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Hier nun noch einige Beispiele, die direkt mit den Kunden zu tun haben. Stellen wir uns einen mittelständischen Betrieb vor, der Investitionsgüter herstellt. Hier können folgende kundennahe Prozesse gefunden werden: |
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Vertrieb Innendienst |
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Vertrieb Außendienst |
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Konstruktion |
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Arbeitsvorbereitung |
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Versand |
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Qualitätsmanagement: |
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Automatisierungspotential bei Kernprozessen |
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Das Automatisierungspotential bei bei Kernprozessen ist sehr unterschiedlich. Geht es dabei um kreative Vorgänge (Marketingstrategie entwerfen, neue Leistungen entwickeln, ...), ist kaum Automatisierung möglich, die Prozesse können lediglich durch die IT unterstützt werden. Geht es um die Produktion hochwertiger Güter, ist auch die Produktion ein Kernprozess, der sehr stark automatisiert ist und dessen Automatisierungsniveau gerade durch die Angebote rund um Industrie 4.0 höher getrieben wird. |
Kreative Vorgänge |
Falls E-Commerce, also der Vertrieb über das Internet vorliegt, ist das Automatisierungspotential sehr hoch. Es liegen vollautomatisierte Prozesse vor, sowieso gegenüber den Kunden, das gehört zum Geschäftsmodell, aber auch darüberhinaus in die Supportprozesse hinein. |
E-Commerce |
Supportprozesse |
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Oben wurde es ausgeführt, Supportprozesse sind nicht direkt wertschöpfend, aber notwendig, um die Kernprozesse ausführen zu können. Die Bezeichnung ist nicht abwertend gemeint. Ohne Supportprozesse gibt es keine Kernprozesse. Sie sind im Gegensatz zu Kernprozessen meist nicht wettbewerbskritisch. Oft werden hierunter z.B. Prozesse im Personalwesen oder in der Finanzbuchhaltung verstanden. |
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Supportprozesse sind oftmals Routinevorgänge mit einfacherer Problemstruktur, also im Sinne der obigen Ausführungen wohlstrukturiert. Sie konnten deshalb schon früh durch Programme unterstützt, später in Programme abgebildet werden. Heute sind sie die ersten Kandidaten für die Vollautomatisierung. |
Automatisierungs-kandidaten |
Einige Beispiele für Supportprozesse: |
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Wertschöpfungskette |
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Die wichtigsten Geschäftsprozesse sind für Unternehmen die der sog. Wertschöpfungskette (manchmal auch Wertkette). Darunter wird die gesamte Prozessfolge verstanden, die der Leistungserstellung dient und hoffentlich die Wertschöpfung realisiert. Der Begriff geht auf Porter zurück. Vgl. zu seinem Konzept der Wertkette(value chain) [Porter 1985], [Porter 1998, S. 77ff], [Porter 1999]). |
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Bedeutung für die Gestaltung der IT |
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Für das Thema Geschäftsprozessmanagement ist die Identifizierung und Unterscheidung von Kern- und Supportprozessen von großer Bedeutung. Kernprozesse sollen durch ihr indviduelles Profil und ihre Leistungsstärke die Existenz des Unternehmens sichern. Sie werden daher mit mehr Aufwand gepflegt, optimiert und auch modelliert. Falls für sie Software angeschafft wird, ist es eher Individualsoftware als Standardsoftware. Solche Aktivitäten rund um Geschäftsprozesse sind im Überschneidungsbereich von Geschäftsprozessmanagement und IT-Management angesiedelt (Bereich A von Abbildung 1.5-1). |
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3.2 Steuerungs- und Führungsprozesse |
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Eine andere Unterscheidung hebt auf die Managementebene, die Art der Problemlösung ab (vgl. Abschnitt 2.4). Führungsprozesse (Managementprozesse, Steuerungsprozesse) sind für die übergreifende Planung, Steuerung und Kontrolle zuständig (obere drei Ebenen von Abbildung 2.5-1). Mit ihnen werden die Kern- und Unterstützungsprozesse geplant und gesteuert [Gadatsch 2013b, S. 38]. In diesen Leitungsebenen sind andere Prozesse und Prozessschritte notwendig, als in der Ausführungsebene. Beispiele für Führungsprozesse sind: |
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Diese Art von Prozessen tragen nicht direkt bzw. nur in geringem Umfang zur Wertschöpfung bei, sind aber für die Durchführung der Kernprozesse unabdingbar und unterstützen diese in verschiedenen Unternehmensbereichen. Sie sind, um es mit Gadatsch zu sagen, "... die unternehmerische Klammer über die leistungserstellenden und unterstützenden Prozesse." [Gadatsch 2013a, Pos. 1430] |
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3.3 Primäre und sekundäre Geschäftsprozesse |
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Schmelzer und Sesselmann empfehlen die Unterscheidung von primären und sekundären Geschäftsprozessen [Schmelzer und Sesselmann 2013, S. 67]. Primäre Geschäftsprozesse erzeugen Leistungen (Produkte und/oder Dienstleistungen) für externe Kunden, um deren Bedarf zu befriedigen. Sie stiften unmittelbaren Kundennutzen. Die Kunden sind bereit, dafür einen Preis zu zahlen. Die Leistungen für externe Kunden sind Umsatzträger und haben entscheidenden Einfluss auf den Geschäftserfolg und die Wettbewerbsfähigkeit. Diese Definition entspricht weitgehend den oben eingeführten Kerngeschäftsprozessen. |
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Sekundäre Geschäftsprozesse haben die primären Geschäftsprozesse oder auch andere Sekundärprozesse als Kunden. Sie stellen Ressourcen wie z.B. Personal, Finanzen, technische Ressourcen und IT bereit. |
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Sie teilen dann die sekundären Geschäftsprozesse in Management- und Unterstützungsprozesse ein und weisen darauf hin, dass sekundäre Geschäftsprozesse in der Regel keinen direkten Marktbezug haben und sich nur indirekt auf die Wettbewerbsfähigkeit ausweisen. Wichtig ist ihr Hinweis auf eine wichtige Ausnahme: Der Strategieprozess ("Strategie planen und überwachen"), der "die Weichen für das Erzielen nachhaltiger Wettbewerbsvorteile stellt" [Schmelzer und Sesselmann 2013, S. 67]. |
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3.4 Kreative / wissensintensive Prozesse |
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Es gibt Geschäftsprozesse, die sich nur eingeschränkt erfassen und detailliert beschreiben lassen. Ihre Leistung wird wesentlich durch die beteiligten Menschen erbracht. Die Autoren nähern sich auf unterschiedliche Weise dieser Thematik. In der Modellierung von Geschäftsprozessen (vgl. die Ad Hoc - Prozesse der BPMN) wird einfach konstatiert, dass es sich um Tätigkeiten handelt, die nicht (mit Einzelaufgaben, Kontrollfluss, usw.) strukturiert werden können (oder "sollen", dann verzichtet man auf die Präzisierung). |
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Auf dem Hintergrund der oben diskutierten Problemlösungsstrukturen handelt es sich dann um unstrukturierte Probleme. |
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Wohl aus der Erkenntnis heraus, dass in solchen Prozessen die beteiligten Menschen wesentlich auf der Basis von Erfahrungen und Wissen Probleme lösen sowie Entscheidungen fällen, wird hier auch von wissensintensiven Prozessen gesprochen. Schmelzer/Sesselmann charakterisieren die wissensintensiven Geschäftsprozesse als Typ-I-Geschäftsprozesse (vgl. [Schmelzer und Sesselmann 2013, S. 70f]). Ihr Ablauf ist dabei nur grob planbar und "Entscheidungen über den Prozessverlauf sind situativ zu treffen und können nicht vordefiniert werden." Besonders "(...) Wissen, Erfahrungen und Einschätzungen der Verantwortlichen sowie der Mitarbeiter(...)" sehen sie als Kernaspekte dieser Prozesse [ebenda, S. 71]. |
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